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„Sagen Sie die Wahrheit, wir wollen Ihnen doch helfen!“ – Heidelberg, seine Verteidiger und die Mordkommission

Von 3. Januar 2021Blog

Heidelberg war einst die Stadt großer Verteidiger. Namen wie Gerhard Härdle, Jürgen Laubscher oder Harro Croissier – sie hallten wie Donner durch die Gerichtsflure. Leider ist das lange her und heute gibt es in Heidelberg nicht nur keine Verteidigerkultur mehr, sondern eher das Gegenteil: Mehrheitlich willfährige Geständnisverteidiger und Verurteilungsbegleiter, etwa den Sohn eines früheren Staatsanwalts, der sich bei Mandanten gerne mit dem Hinweis empfiehlt, er duze sich mit dem zuständigen Oberstaatsanwalt. Oder den Kollegen, der Beschuldigten, denen er beigeordnet wurde, gerne in Aussicht stellt, gegen eine Zuzahlung sei er dazu bereit, „richtig“ zu verteidigen (!). Schließlich eine bekannte Anwältin, die sich ihren Namen mit § 31 BtMG gemacht hat und zur Belohnung auftreten darf, als gehöre das Landgericht ihr. Um sie soll es heute aber nicht gehen, sondern um ihre Meisterschülerin, die lange Jahre bei ihr angestellte Rechtsanwältin B. Und um die Heidelberger Mordkommission, die die B. sehr schätzt und sie gerne verständigt, wenn Verteidigerbedarf besteht – wir werden gleich sehen, warum das so ist.

Der zugrundeliegende Fall ist traurig: Ein junger Mann verständigt die Polizei, weil sein 8 Monate alter Sohn tot ist. Schnell gerät der junge Mann selbst in Verdacht und wird vorläufig festgenommen.

Die Mordkommission verständigt Rechtsanwältin B., die auch Gelegenheit erhält, mit dem Beschuldigten zu telefonieren. Anschließend teilt B. der Kripo mit, dass ihr Mandant schweigen und sie zur Dienststelle kommen werde.

Noch während die Verteidigerin unterwegs ist (ihr Kanzlei liegt nicht weit von Polizeipräsidium entfernt), sucht KOK D. das Gespräch mit dem jungen Mann. Er belehrt ihn auch erneut, allerdings nicht darüber, dass er sich nun ohne die herannahende Verteidigerin äußere und auf deren Anwesenheit und ein vorheriges persönliches Gespräch mit ihr dadurch gleichsam verzichte.

Der junge Mann äußert sich ohne Verteidigerin zur Sache, wohl auch dadurch motiviert, dass KOK D. ihm sagt, man wolle ihm doch helfen. Anschließend erscheint die B. auf der Dienststelle. Man teilt ihr die Angaben des Mandanten mit und lässt sie mit diesem sprechen. Abschließend teilt Rechtsanwältin B. den Beamten ein weiteres Mal mit, das ihr Mandant keine weiteren Angaben machen werde. Dann verlässt sie das Präsidium wieder.

Am Nachmittag des Tages werden neue Obduktionsergebnisse bekannt, die den jungen Mann schwer belasten. Die Kripo informiert die Verteidigerin telefonisch darüber und äußert den Wunsch, den jungen Mann zu vernehmen, was die Verteidigerin ausdrücklich ablehnt.

Die Beamten hält dies indessen nicht davon ab,  10 Minuten nach dem Telefonat (!) den Beschuldigten im Gewahrsam aufzusuchen und ihm vorzuhalten, bei der Vernehmung am Vormittag habe er  offenbar gelogen. Der junge Mann, wiederum nicht erweitert belehrt oder auch nur über das gerade eben erfolgte Telefonat mit der Verteidigerin in Kenntnis gesetzt, legt nun ein Geständnis ab.

Anwältin B. wird auch hierüber anschließend informiert. Der Akte lässt sich nicht entnehmen, dass sie der Verwertung der Angaben ihres Mandanten widerspricht oder auch nur gegen das Vorgehen der Mordkommission protestiert. Stattdessen begleitet sie ihren Mandanten am nächsten Tag zum Haftrichter, der Untersuchungshaft anordnet.

Erst im Prozess und nach Wechsel des Verteidigers wird das Vorgehen der Kripo thematisiert. Die Schwurgerichtskammer, die den schwierigen Fall unaufgeregt und offen verhandelt, zeigt sich zunächst erstaunt, als der Verteidiger die Anbringung eines Verwertungswiderspruchs ankündigt, schließlich komme das frühe Geständnis doch dem Mandanten zugute. Am Ende stützt sie ihr Urteil allerdings nicht auf die polizeilichen Vernehmungen, sondern auf das in der Hauptverhandlung vom Angeklagten abgelegte Geständnis.

Den Verwertungswiderspruch finden Sie hier.

Die Moral von der Geschichte? Schmu bleibt Schmu, wenn zwei Dinge zusammenkommen: Einer, der die Regeln bricht und ein anderer, der dies geschehen lässt. Wir jedenfalls lassen so etwas nicht laufen. Und Heidelberg? Hat Besseres verdient. Wie früher.

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