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Die bösen Strafverteidiger

Von 6. Mai 2018Oktober 16th, 2018Blog

Wir sind immer schuld. Das weiß man ja. Woran heute? An Strafprozessen, die immer länger dauern und dadurch „in die Verjährung laufen“, weil sie von versierten Strafverteidigern, die sich nicht mehr als Organe der Rechtspflege sehen, sondern eher als Gehilfen ihrer Mandanten, torpediert werden. Weiß jedenfalls Jens Gnisa, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes (DRB), der daher das aktuelle StPO-Reformvorhaben begrüßt. Es wurde in den Koalitionsvertrag aufgenommen und als „Pakt für den Rechtsstaat“ bezeichnet.

Konkret will man an die „vier großen Bs“ heran, also an das Befangenheitsrecht, an das Beweissantragsrecht, an die Besetzungsrüge, schließlich will man zu einer Bündelung der Nebenklage kommen. Und das alles, nachdem bereits die grandiosen StPO-Reformen des Vorjahres (2017) unter dem Deckmantel der Effektivierung des Strafverfahrens zu rechtsstaatlich fragwürdigen Beschneidungen von Verteidigerrechten geführt haben.

Warum noch ein Nachschlag? Die Argumente sind nicht neu, sie werden seit Jahren vorgebracht und entbehren einer faktischen Grundlage. Der bayerische Justizminster Bausback (CSU) etwa macht geltend, Verfahrensrechte würden (von Verteidigern) nach wie vor dazu missbraucht, rechtsstaatliche Verfahren zu torpedieren. Den Gerichten müsse man Instrumente an die Hand geben, um etwa zweckwidrigen Befangenheitsgesuchen und missbräuchlichen Beweisanträgen zu begegnen. Das hatte 2017 (zwei Tage nach der Bundestagswahl) bereits der sog. Deutsche Strafkammertag gefordert, ein Zusammenschluss von Verteidigeropfern in Richterrobe, von dem man bis dahin wenig gehört hatte. Mehr dazu hier.

Mach man sich die Mühe, die Forderungen der Paktierer für den Rechtsstaat einem Faktencheck zu unterziehen, offenbart sich erstaunliches. Zunächst einmal fehlt jeder empirische Beleg für die behauptete großflächige Verschleppung von Strafprozessen durch Beweis- und Befangenheitsanträge. Noch wichtiger ist aber: Die StPO enthält schon jetzt ein taugliches Instrumentarium zur Abwehr rechtsmissbräuchlicher Handhabung von Verteidigungsrechten. Leider beherrschen es viele Richter nicht. Da helfen allerdings nicht laufende StPO-Reformen, sondern allenfalls ein paar mehr Schulungen bei der Richterakademie. Und wie ist es um die so besonders StPO-festen Verteidiger bestellt? Nach unserer Beobachtung auch nicht so gut. Wir erleben in größeren Verfahren sehr selten Kolleginnen und Kollegen, die die Klaviatur der StPO tatsächlich so beherrschen, dass sie eine Strafkammer vor sich hertreiben können.

Aus dem Ruder laufen Strafprozesse dann, wenn ein Verteidiger, der das Prozessrecht ein wenig beherrscht, auf einen Vorsitzenden trifft, der seinerseits das Instrumentarium nicht beherrscht, dem zu begegnen. Ein schönes Beispiel hier. Hätte der Vorsitzende in jenem Verfahren gewusst, wie es geht, wäre er mit dem Verteidiger (der äußerlich gar nicht so bedrohlich wirkt) anders umgegangen. Wusste er aber offensichtlich nicht. Und da liegt der Hase im Pfeffer.

Wirklichen Bedarf für eine Reform sehen wir nicht. Ein Richter, der weiß, wie es geht, muss einen ausufernden Prozess nicht fürchten. Wenn es dem Gesetzgeber also nicht um den Abbau von Verteidigungs- und Beschuldigtenrechten an sich geht, die Volkes Stimmer als lästig empfindet, weil sie einen kurzen Prozess nach Stammtischart verhindern, dann sollte er sich den wirklich wichtigen legislativen Fragen zuwenden.

Meine ich jedenfalls. Aber ich wurde ja auch schon von einem Mannheimer Staatsanwalt als „Gralshüter der StPO“ bezeichnet. Gedacht war das als Anwurf. Genommen habe ich es als Kompliment.

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